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Werte Abonnenten des Schwanenboten,

 

nun ist die Zeit gekommen, dass wir zu unseren Familien fahren, zu den Kindern, zu Freunden, zu den Verwandten und Bekannten.
Einige von euch werden sich vielleicht auf den Weg ins Kino machen zum neuen Film über Ludwig II., der Andere liest vielleicht ein Buch über unseren König und der Nächste schaut sich den Film “Ludwig II. - Mein Atem ist die Freiheit” von Angelika Weber an.
Vor uns liegen hoffentlich ruhige und erholsame Feiertage.

Hildegard Stinauer und ich wünschen Euch auf diesem Wege:

Ein frohes Weihnachtsfest und ein Gutes Neues Jahr!

Magnus Perresson aus Füssen hat uns freundlicherweise eine Geschichte über unseren König übermittelt, die ich euch heute hier vorstellen möchte.

Eine Geschichte von Schenken und beschenkt werden

So habe ich die Geschichte von einer Verwandten unseres Protagonisten in Füssen gehört, er selbst muss sie so oder nicht viel anders mitgeteilt haben:

Onkel Hausmann, so nannten ihn seine Nichten, war als junger Gendarm zum Wachdienst in Hohenschwangau eingeteilt. Es war reichlich langweilig dort, denn der König Ludwig II. schlief ja tagsüber und in den Nächten sah man keine Hand vor den Augen. So vertrieb sich der junge Gendarm die Zeit in seinem Schilderhäuschen, in dem er auf seiner Querflöte spielte. Einmal hörte ihn dabei der König, als er in der Abenddämmerung ausfuhr oder beim ersten Morgenrot nach Hohenschwangau zurückkehrte. Jedenfalls lud der König den Gendarmen eines Tages ein, mit ihm auf Schloss Hohenschwangau zu musizieren. Der Onkel Hausmann blies die Flöte und der König begleitete ihn auf jenem Klavier, auf dem schon Richard Wagner gespielt haben soll. Dieses gemeinsame Musizieren fand des Öfteren statt, so lange, bis der Gendarm versetzt wurde. Beim Abschied forderte Ludwig II. den Onkel auf, sich etwas zu wünschen. Der hatte natürlich einen Traum, einen der so groß, so überzogen, so unbescheiden war, dass er ihn nicht zu sagen wagte. Der König spürte das wohl und befahl nun, Kraft seines Amtes, den Wunsch, sei es was es wolle, zu äussern: Es war ein Harmonium. Der Wunsch ging in Erfüllung, denn der König liebte es zu schenken.
Joseph Hausmann versah später Mesnerdienste im Dom von Augsburg. Als er in Pension gehen durfte, bezog er ein schönes Quartier im Füssener Ortsteil Faulenbach, die Villa Felseneck. Sie steht auch heute noch auf einem  Felsen unmittelbar über dem Lech, nicht weit entfernt vom König Max – Steg und dem Marienfelsen.
Das Harmonium des Königs kam so nach Füssen, es ging später in den Besitz einer befreundeten Familie über, deren Töchter darauf lernten, Klavier zu spielen.

Soweit also die Erzählung der Nichte, die mir auch verriet, dass das Harmonium noch existieren würde, aber leider nicht mehr in Füssen sei, und, dass sie nur hoffe, seine Besitzer mögen es schätzen und in Ehren halten.

Onkel Hausmann starb 77jährig im Jahre 1934 und fand seine letzte Ruhestätte auf dem Füssener Waldfriedhof. Vor seinem Grab an der östlichen Mauer stehend, reicht der Blick über den Lech hinweg bis nach Neuschwanstein. An Allerheiligen dieses Jahres habe ich es wieder einmal aufgesucht. Der Stein war noch vorhanden, der Name Joseph Hausmann jedoch getilgt, zugunsten eines Verwandten mit dem er jetzt das Grab teilen muss. Diesen Verwandten habe ich selbst gekannt, er hatte mir wenige Wochen vor seinem Tod, die Geschichte von dem Harmonium sinngemäß genau so erzählt wie die oben genannte Nichte Hausmanns vor gut einem Vierteljahrhundert.

Man ist versucht,  die Geschichte für eines der vielen Histörchen zu halten, wie sie nach dem Tod König Ludwigs  II. landauf, landab im Dutzend erfunden worden sind, schön und gut gemeint und den König verklärend, aber eben nicht wahr. In unserem Falle haben allerdings die jüngst veröffentlichten Kammerbefehle des Königs den Beleg erbracht, dass die Wirklichkeit zumindest ähnlich der Familientradition gewesen ist.

Demnach ließ König Ludwig II. am 19. Februar 1886 während einer Schlittenfahrt zwischen 4 und 5 Uhr morgens ein Zusammentreffen mit Joseph Hausmann an der Fürstenstraße, der Straße nach Tirol, arrangieren.
König und Gendarm gingen in stockfinsterer Nacht eine Stunde lang beim Schein einer Laterne Spazieren. Das außergewöhnliche Treffen wiederholte sich nur 24 Stunden später.

Am 22. Februar  1886 kam es dann zu einer weiteren höchst sonderbaren Zusammenkunft, in Schloss Neuschwanstein. Der König hatte schriftlich angeordnet, dass die Grotte zwischen Wohn-  und Arbeitszimmer beleuchtet und der Wasserfall dort zum Fließen gebracht werde. Auch für Rheinwein, Champagner und Zigaretten solle gesorgt sein. Aus den Akten des Füssener Hauptwachmeisters Ferdinand Poppler erschließt sich, dass der König dem jungen Gendarmen die Räume seiner Wohnung zeigte und anschließend mit ihm in dem Wintergarten, der sich an die Grotte anschließt , Champagner trank und Zigaretten rauchte.
Um 5 Uhr morgens meldete sich der Gendarm Joseph Hausmann auf seiner Dienststelle in Füssen zurück.

Dem Kammerbfehl ist zu entnehmen, dass der König dem Gendarmen durch Dritte raten ließ, sich seiner Treffen mit dem König nicht zu rühmen, da dies Neid auslösen würde. Wörtlich heißt es weiter: „Da er musikalisch ist, will Ich ihm ein Harmonium schenken, da es ihm zu teuer ist. Ein gutes, ganz wie er brauchen kann, soll sogleich bestellt werden. Ein Harmonium ist ein großes Musikinstrument und darf nicht etwa mit einer Harmonica verwechselt werden…..“
Nur zwei Tage später nahm der Gendarm Joseph Hausmann das königliche Geschenk entgegen. Es hatte einen Wert von 1.500 Mark, was dem Jahresverdienst eines Schreiners entsprach.

Diese berührende Geschichte gestattet einen tiefen Blick in die Seele des Monarchen. Er liebte es zu schenken, reich zu beschenken, das tut er auch jetzt, aber nicht weil er König ist, sondern weil er sich durch die Begegnung mit dem Gendarmen selbst beschenkt fühlt. Man male sich einmal die Szene in Wintergarten und Grotte aus: Vor dem Fenster entrückt die Nacht das noch im Bau befindliche, totenstille Schloss der Wirklichkeit unten im Tal. Die Wände der Grotte schimmern in blauem, vielleicht auch rötlichem Licht und über die Felsen rauscht und rieselt das Wasser. Ein junger, ein wenig schüchterner Mann plaudert mit einem älteren, bewusst einsam lebendem Herrn, mit einem Menschen, dem er sonst nie im Leben begegnen würde. Der Champagner lockert die Zungen und der Junge gibt Auskunft über Familie, Dienst, über die Menschen in Füssen und auch über die Stimmung im Land. Man spricht über Musik und wahrscheinlich erzählt der Ältere von Richard Wagner und seinem betörenden Werk. In den kristallenen Kelchen perl der Champagner, der Duft teurer Zigarren oder Zigaretten erfüllt den Raum und dünner Rauch steigt über der Lampe zur Decke. Da ist der Ältere,  mit einem Male nicht mehr König, der Junge nicht länger Untertan, die  blaue Stunde im Wintergarten von Neuschwanstein verwandelt die beiden ungleichen Männer für wenige, kostbare Viertelstunden in Brüder.
 

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Mit königlichen Grüßen
 
Matthias Bienek

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Ein ewig Rätsel will ich bleiben! Mir und Anderen...
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